Liebe Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde,
die Corona-Krise ist noch lange nicht vorbei und wir rasen mit der Omikron-Variante geradewegs auf eine Wand zu. Für uns muss daher klar sein: Aus der Krise kommen wir nur solidarisch. Solidarisch mit dem Personal in den Krankenhäusern, welches Tag und Nacht an der Belastungsgrenze um Menschenleben kämpft. Solidarisch mit den Mitarbeitenden im Lebensmitteleinzelhandel und in den Serviceberufen, die nicht einfach mal so ins Home-Office können. Solidarisch mit Schüler*innen und Studierenden, die wahlweise ohne Hygienekonzepte zum Präsenzunterricht und dann wieder ohne Vorwarnung in die Online-Lehre geschickt werden. Ich möchte den selbsternannten Querdenkern auch mal darlegen, wie man die derzeitige Corona-Politik kritisieren kann, ohne dabei mit Neonazis zu marschieren:
Erst letzte Woche kam eine Oxfam-Studie heraus, die die Auswirkungen der Pandemie deutlich macht: Während der Corona-Pandemie ist die globale Ungleichheit weiter drastisch gestiegen. Während die zehn reichsten Männer der Welt ihr Vermögen zwischen März 2020 und November 2021 verdoppeln konnten, leben 163 Millionen mehr Menschen unter der absoluten Armutsgrenze als vor der Pandemie. Auch in Deutschland erreicht die Armutsquote mit 16,1 Prozent einen neuen Höchststand.
Große Autokonzerne wie VW, Daimler oder BMW schicken ihre Arbeiter*innen mit Staatshilfe in Kurzarbeit, während sie ihren Aktionär*innen Dividenden in Milliardenhöhe auszahlen. Die zunehmende Ungleichheit betrifft vor allem ärmere Staaten des globalen Südens, sowohl national als auch im internationalen Vergleich. Das setzt sich auch bei der ungleichen Verteilung von Corona-Impfstoffen fort. So missbrauchen Pharmaunternehmen ihre Impfstoff-Patente und verlangen das bis zu 24-fache des Produktionspreises für eine Impfdosis. Das stellt einen erheblichen Nachteil für ärmere Länder dar. Auch Rassismus ist ein Problem: So tragen In Brasilien beispielsweise Schwarze Menschen ein um 47 Prozent höheres Risiko, in den USA ist die Gefahr für Black, Indigenous und People of Color zwei- bis dreimal so hoch wie für Weiße.
Besonders Frauen sind von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen, stellt Oxfam fest. So sind rund 13 Millionen Frauen weniger in Arbeit als vor zwei Jahren. Auch die unbezahlte Care-Arbeit, die Frauen verrichten hat zugenommen, genauso wie geschlechtsspezifische Gewalt. Das sind Ungerechtigkeiten, gegen die es sich zu demonstrieren lohnt, anstatt mit Klangschalen in der Hand den Holocaust zu leugnen, liebe Freundinnen und Freunde!
Die Krise, die wir zur Zeit erleben, ist nicht das Werk geheimer Mächte, die die Bevölkerung austauschen oder eine “Neue Weltordnung” errichten wollen. Nein, die Krise ist System! Deshalb fordern wir eine massive Umverteilung des Vermögens durch höhere Steuern für Reiche und Konzerne, Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge, die Freigabe der Impfstoff-Patente, die demokratische Kontrolle der Wirtschaft und die Zerschlagung übermächtiger Konzerne!
Wir können diese Krise als Gesellschaft nur dann überwinden, wenn wir uns der gesellschaftlichen Vereinzelung entgegenstellen und stattdessen Solidarität aufbauen. Bleiben wir solidarisch, indem wir uns regelmäßig testen lassen und das Impfangebot wahrnehmen.
Und eigentlich muss ich euch das alles ja gar nicht erzählen. Eigentlich wissen wir seit über einem Jahr, dass die Impfung der Weg aus dieser Pandemie ist. Eine Impfung, die – und das muss man ja scheinbar immer wieder wiederholen, weil einige es einfach nicht glauben wollen – eine Impfung, die nach allen seriösen wissenschaftlichen Maßstäben sicher ist. Eine Impfung, die weniger gefährlich ist als eine Aspirin oder die Anti-Baby-Pille, vom Risiko einer akuten Corona-Erkrankung ganz zu schweigen. Eine Impfung, die uns genau die Freiheiten wieder zurückgeben könnte, der sich diese “Querdenker*innen” beraubt sehen.
Und doch gibt es noch immer eine kleine, aber laute Minderheit, die Zweifel sät. Mal fürchten sie sich vor “Turbokrebs” durch mRNA (kein Scherz! Spoiler: mRNA ist fast überall drin, auch in euren Kartoffeln), dann erahnen sie die Fernsteuerung durch Nanobots oder prophezeien, dass alle Geimpften eigentlich seit letztem Dezember tot sein müssten. Sie versuchen, aus der Panikmache vor der Impfung politisches und auch wortwörtliches Kapital zu schlagen. Denn nehmen wir mal die Verschwörungsideolog*innen mal beim Wort und “folgen dem Geld”: Dann wird ganz schnell ersichtlich, dass mit dieser ganzen Widerstandsposse vor allem eins gemacht wird: Gewinn! So posten prominente Pandemieverharmloser*innen wie Michael Wendler oder Eva Herrmann, letztere wird auch in der lokalen Gruppe gern zitiert, regelmäßig Werbeblöcke für Survival-Ausrüstung, die man angeblich brauche, um den nahenden gesellschaftlichen Kollaps zu überstehen. Diese Anzeigen führen dann direkt zur Webseite des rechtsextremen Kopp-Verlags, der damit wohl seine faschistischen und antisemitischen Propagandaschriften querfinanziert. Weiterhin bereichern sich esoterische Heilpraktiker*innen an ihrer alternativen Zielgruppe und verkaufen ihnen nicht nur homöopathische Zuckerkugeln gegen das Virus, sondern stellen auch in Anmaßung des ärztlichen Berufsstandes auf Bestellung Maskenatteste oder gleich gefälschte Impfpässe aus. Sie gefährden mit ihrem Handeln nicht nur sich selbst, sondern auch andere, und das dürfen wir nicht hinnehmen!
Und so treffen sie sich auch heute, angeblich ganz spontan, zu ihren Spaziergängen, wo sie ihre Masken in zweierlei Sinne fallen lassen: Sie schwurbeln gegen den wissenschaftlichen Konsens und zeigen dabei unverhohlen den Hitlergruß. Sie fürchten sich ganz furchtbar um ihre Grundrechte und vergleichen sich mit den Opfern des Nationalsozialismus. Sie sagen, sie seien weder rechts noch links, sie seien doch einfach nur besorgte Bürger*innen, doch in Wahrheit sind sie vor allem eins: Teil einer völkischen, antisemitischen Mobilisierung, eine regressive Bewegung, getrieben vom Hass auf die Moderne und dem Unvermögen, die Krise als systemisch anzuerkennen. Stattdessen projizieren Sie ihren Hass auf Personen, auf Wissenschaftler*innen, Politiker*innen oder auch Prominente. Gefangen in dieser konformistischen Revolte werden sie zum Instrument für Rechtsextreme und ihre Umsturzfantasien. Und aus diesem Grund müssen wir uns ihnen entgegenstellen, wieder und immer wieder auf der Straße und gleichzeitig die Ideologie hinter dieser Mobilisierung enttarnen und bekämpfen.
Den Spaziergänger*innen ein Bein stellen! Alerta antifascista!