Es ist wieder Montag, wieder stehen wir hier. Ich bin mir sicher, dass auch ihr lieber im Warmen sein würdet, lieber nicht bei Inzidenzen über 1000 während einer Pandemie in einer Menschenansammlung stehen würdet und sicher habt ihr auch gerade noch andere Dinge zu tun. Und trotzdem bleibt uns nichts Anderes übrig als jeden Montag hier zu stehen, denn dem was auf dem Domplatz passiert, muss widersprochen werden!
Wo fangen wir da nur an? Die Schwurbler*innen-Bewegung im Allgemeinen, aber auch speziell in Münster fällt von Anfang an durch die Relativierung der Shoah und Antisemitismus auf. Von unsagbaren Vergleichen des NS-Regimes mit der Pandemiepolitik und Virolog*innen, bis hin zu widerlichen Verschwörungsmythen, die vor lauter Antisemitismus schwer zu ertragen sind. Und dann wird der Zwinger, in dem zur NS-Zeit die Gestapo Hinrichtungen durchführte, als “Quarantäne-Hotel” bezeichnet. Für all diesen Antisemitismus, die Verachtung, die den Opfern und den Überlebenden der Shoah entegengebracht wird, lassen sich schwer Worte finden, um unsere Ablehnung auszudrücken. Letzten Donnerstag war der 27. Januar. Der 27. Januar ist der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Denn am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Die Gefangenen wurden von den Nazis zu Zwangsarbeit gezwungen, sie wurden gefoltert, sie mussten hungern, sie mussten frieren, sie wurden erniedrig und ermordet. Die Nazis taten dies, weil sie Jüdinnen*Juden, Sinti*zze und Rom*nja, Homosexuelle, politische Gegner*innen und viele weitere Menschen, die nicht in ihr antisemitisches und faschistisches Weltbild passten, auslöschen wollten. Und ihr da drüben auf dem Domplatz wagt es euch damit gleichzusetzen, weil ihr während einer Pandemie mit einem hoch ansteckenden und tödlichen Virus beim Einkaufen Maske tragen und euch mit einem sehr sicheren und wirksamen Impfstoff impfen lassen sollt, damit andere Menschen nicht sterben?
Wer am 27. Januar “Nie wieder” sagte, schrieb oder postete, muss auch die Konsequenzen ziehen und handeln. Handeln gegen jede Form von Antisemitismus, gegen jede Relativierung der Shoah. Darum stellen wir uns jeden verdammten Montag hierher und stellen uns gegen die Schwurbler*innen!
Adorno sagte: “Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.”
Dass die allererste Forderung an Erziehung nun offenbar doch begründet werden muss, um Schwurbler*innen und ihren Mitläufer*innen zu erklären, warum es nicht in Ordnung ist die Shoah zu relativieren, macht große Sorge und zeigt wie tief Antisemitismus in unserer Gesellschaft ist, wie salonfähig er ist und wie dringend es ist, dass wir dagegen kämpfen. Die Relativierung der Shoah und die damit einhergehende Täter-Opfer-Umkehr tragen zu einer Welt bei, in der Auschwitz wieder möglich wird. Darum: gegen jede Relativierung der Shoah! Gegen jeden Antisemitismus! Nie wieder!
Zu den gesundheitlichen Aspekten unseres Gegenprotest hat MünsterCares schon viel gesagt. Die Pandemie ist sehr ernst, es geht um Menschenleben. Darum gehen wir solidarisch durch diese Pandemie und schützen uns und andere, indem wir Maske tragen, Kontakte reduzieren, Abstand halten, uns testen lassen, unser Bestes in der Kontaktnachverfolgung geben und am allerwichtigsten: uns impfen und boostern lassen! Natürlich muss auch Kritik geübt werden. Kritik an dem System, das Gesundheit zur Ware macht, sodass es überhaupt zum Pflegenotstand kommen konnte. Kritik an der sozialen Ungerechtigkeit, die durch die Pandemie verschärft wurde. Kritik an der Durchseuchung der Kinder, die immer noch in die Schulen gehen müssen, ohne Luftfilter. Kritik an der häuslichen Gewalt, die seit der Pandemie zunimmt. Kritik an der chaotischen Lehre an Hochschulen, die irgendwo zwischen hybrid, online und pech gehabt hin- und herspringt. Kritik an einer versagenden Teststrategie. Kritik an so vielem. Aber all das löst man nicht durch die Gefährdung anderer Menschen, indem man sie mit Corona ansteckt. Man löst es auch nicht durch Morddrohungen oder Fackelmärsche. Oder durch das Anzünden einer Teststation. Nein, all das verschärft diese Probleme nur.
Es gibt nur einen Weg aus der Pandemie und den genannten Problemen. Und dieser Weg heißt Solidarität. Darum sind wir solidarisch. Solidarisch mit MünsterCares, den Gewerkschaften und allen Pflegekräften. Das heißt auch Maske tragen und sich impfen lassen, um Ansteckungen und schwere Verläufe zu verringern und so die Intensivstationen und damit Pflegekräfte zu entlasten. Es heißt aber auch politisch für eine nachhaltige Beendigung des Pflegenotstands zu kämpfen. Solidarisch mit Risikogruppen, auch hier heißt es wieder: Maske auf und impfen lassen! Solidarisch mit Familien, mit Kindern, mit Menschen mit psychischen Erkrankungen, mit Betroffenen von häuslicher Gewalt. Solidarisch mit denjenigen, die von den Schwurbler*innen bedroht und angegriffen werden. All diese Solidarität besteht besonders im Beenden der Pandemie und weil man es nicht oft genug sagen kann: das heißt vor allem sich impfen zu lassen!
Und wenn es sein muss stehen wir auch noch nächsten, übernächsten und jeden weiteren Montag hier, um den Schwurbler*innen zu widersprechen und zu zeigen: ihr kommt damit nicht durch! Nicht mit eurem Antisemitismus, nicht mit euren Fake-News und auch nicht mit der Gefährundung der Gesundheit anderer Menschen! Und an euch, die heute wieder hier stehen: danke, dass ihr da seid, danke, dass wir gemeinsam und solidarisch diese Pandemie bekämpfen und den Schwurbler*innen widersprechen!
Da man Redebeiträge am Besten mit Sätzen, die man gut schreien kann, beendet: Nazis raus, Impfsaft rein, gegen jeden Antisemitismus, Alerta antifascista!